Ökologischer Ablasshandel

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Im September ist mal wieder Bundestagswahl. Und wie jedes Mal versuchen die Parteien, Wählerstimmen mit reizvollen Wahlversprechen zu erringen. Anstatt „erringen“ wäre das Verb „ergaunern“ meistens angebrachter. Denn die Versprechen werden eher selten eingehalten und wenn doch, in abgewandelter Form. Verantwortlich wird dann gern der jeweilige Koalitionspartner gemacht, welchem man ja immerhin einen Kompromiss abringen konnte. Nun ist das Insektensterben, ein essentieller Teilaspekt des Artensterbens und für alle Menschen, gleich welche politischen Ziele außer Suizid sie verfolgen mögen , eben von entscheidender Bedeutung. Es spielt dabei keine Rolle, an welcher Position der eigenen politischen Agenda das Thema aufgelistet wurde, wenn überhaupt.

Ich will es daher für alle Stimmenfänger extrem einfach machen.

In den vergangenen Jahren haben sich so ziemlich alle politischen Akteure gegen das Insektensterben positioniert. Mir ist kein Protagonist irgendeiner politischen Vereinigung bekannt, welcher das Insektensterben weiter vorantreiben möchte, schlimmstenfalls zumindest relativ passiv dem gegenüber steht.

Und obwohl faktisch erwiesen ist, dass das Artensterben und explizit das Insektensterben durch menschliche Eingriffe in die Natur massiv voranschreitet, wird im Prinzip so gut wie nichts dagegen unternommen. Es gibt Projekte wie das Erschaffen von bunten Blühwiesen, die sogar gefördert und subventioniert werden. Doch bei genauer Betrachtung handelt es sich vorwiegend um einen ökologischen Ablasshandel.

Wie muss eine solche Blühwiese überhaupt gestaltet werden, damit sie sinnvoll zur Erhaltung von Insekten beiträgt?

Idealerweise lässt man einfach die Natur entsprechende Brachflächen allein zurückerobern. Da soll dann auch nicht gemäht werden. Einfach alles in Ruhe lassen, am besten über Jahre hinweg. Mit bunten Blumen hilft man dem Großteil der Insekten nicht. Hiermit unterstützt man vorrangig die Honigbienen, also ausgerechnet jene Fluginsekten, die so ziemlich am wenigsten bedroht sind. Um diese Tiere kümmern sich vorbildlich die Imker. Hier gilt, je mehr Imker, je mehr Honigbienen.
In einer ökologisch wertvollen Wiesenlandschaft leben allerdings enorm viele Insekten, die gar nicht fliegen können und unauffällig im Gras harren. Jede Mahd tötet Millionen dieser Tiere. Die Larven der Schmetterlinge, die man so gern an den bunten Blumen beobachtet, leben die meiste Zeit als Raupen an den entsprechenden Futterpflanzen. Mit Blütennektar können die nichts anfangen. Aber genau an all diese Insekten muss man auch denken, nimmt man den Artenschutz ernst und möchte etwas gegen den massiven Schwund tun.

Was macht wohl eine Raupe, wenn der Rasenmäher anrückt? Antwort: sie stirbt. Grashüpfer können gelegentlich noch mit einem rechtzeitigen Sprung in die richtige Richtung zumindest vorerst dem Tod entkommen. Quasi alle flugunfähigen Insekten werden geschreddert. Das Mähen von Wiesen ist stets mit dem Tod von Millionen Insekten verbunden. Wollte man nicht ausgerechnet das verhindern?

In der Landwirtschaft ist es jedoch auch notwendig, eine Heuernte durchzuführen. Auch das könnte man zumindest nach ökologisch sinnvollen Methoden machen. Hier gibt es sicher noch Potential…

Aber dort, wo es vollkommen unnötig ist, zu mähen, könnte man es doch tatsächlich einfach lassen. Hierbei kommen vorwiegend Fahrbahnränder von Strassen in den Fokus. Der Verkehrssicherheit wegen würde es vollkommen ausreichen, bis zu den Leitpfosten zu mähen. Die Randsäume dahinter sind elementar wichtige Lebensräume für Insekten, insbesondere wenn es sich um Feld- oder Waldwege handelt.

Weswegen werden diese Wegsäume dennoch mindestens zweimal im Jahr, meist zu Unzeiten gemäht? Welche sinnvolle Erklärung gibt es hierfür? Und jetzt soll niemand argumentieren, dass Regenwasser abfließen muss. Das mag an wenigen Stellen sinnvoll sein, aber in der Masse völlig überflüssig bis kontraproduktiv. Pflanzen in den Weggräben nehmen sogar das Wasser auf und bremsen den Durchfluss. Ohnehin ist in Zeiten des Klimawandels und langen Dürreperioden die schnelle Ableitung in Kanalsysteme unlogisch.

Ärgerlich ist es, wenn man die entsprechenden Behörden kontaktiert und ihnen versucht, den Unsinn auszureden. In der Regel stößt man auf taube Ohren. Jedes Jahr wird das gleiche unsinnige Ritual wiederholt. Hier fehlt schlicht der politische Wille, den Behörden anzuordenen, ökologisch zu handeln. Mit eigentlich weniger Aufwand wie zur Zeit könnte man einen wirklich effektiven Beitrag gegen das Insektensterben leisten. Einfach mal die Mähmaschinen stehen lassen und nur noch dort mähen, wo es absolut erforderlich ist. Nur noch einmalig, idealerweise im Spätherbst mähen und dafür schonende Mähwerkzeuge verwenden. Wiesenflächen oder Wegsäume einfach mal stehen lassen, auch wenn es für manche Leute unordentlich aussehen mag.

Das plakative Anlegen von Blühwiesen kommt einem ökologischen Ablasshandel gleich, solange man ansonsten die Landwirtschaft stets intensiviert, Flächenversiegelung ungebremst voranschreitet und den Wirtschaftsfaktor „Natur“ ignoriert oder gar ausbeutet. So kenne ich es leider und die Parteien, die sich selbst ein ökologisches Siegel aufdrücken, handeln in ihren Verantwortungsbereichen kaum ökologisch sinnvoll.

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