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Die Horrorraupe vom Schwammspinner

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Aktuell verbreiten sich durch diverse Medien Horrorszenarien von einer Invasion, wo gefräßige Raupen ganze Wälder kahlfressen würden.

Schwammspinner- Raupen bedrohen Bayerns Eichenwälder

Bayerns Eichen werden heuer von einem Schmetterling bedroht, dessen Raupen ganze Bäume kahl fressen können.

Quelle: Augsburger Allgemeine

Fast identisch undifferenziert berichtet die Süddeutsche Zeitung darüber.

Schwammspinner- Raupen können tatsächlich dazu beitragen, dass das Blattwerk mancher Bäume sichtbar dezimiert wird. Wenn die Lebensbedingungen optimal sind, können die Raupen sogar einen Kahlfraß verursachen. Von einer Bedrohung von Wäldern zu fabulieren, ist hierbei jedoch maßlos übertrieben. Bei meiner Exkursion im Mai 2018, wo durch die ungewöhnlich hohen Temperaturen und eine längere Trockenheit die Bedingungen für Schwammspinner- Raupen als ideal zu bezeichnen waren, konnte ich auf unterschiedlichen Pflanzen vereinzelt Raupen finden. Sowohl auf Eichen und Erlen als auch an Salweiden, Espen und sogar auf Brombeersträuchern konnte ich Jungraupen von Lymantria dispar, so der wissenschaftliche Name, finden.

Schwammspinner-Jungraupe
Schwammspinner-Jungraupe

Allerdings sind in dieser Zeit auch etliche andere Insektenlarven aktiv. So konnte ich deutlich mehr Raupen des Großen Frostspanners (Erannis defoliaria) entdecken. Auch viele Blattwespen- und Käferlarven fressen sich in dieser Zeit durch die Grünbestände. Ebenso ist in dieser Zeit der Maikäfer mit von der Partie. Man darf also die Fraßspuren nicht ausschließlich den Schwammspinner- Raupen anlasten. Ist das entsprechende Ökosystem aktiv und ausgeglichen, bleibt die Schwammspinner- Invasion aus…

Der Bayrische Rundfunk bläst ins gleiche Horn wie das Amt für Landwirtschaft, Ernährung & Forsten:

Die Raupen des Schwammspinners fressen die ersten Blätter der Eichen. Wenn beim Wiederaustrieb ein Pilzbefall durch den Eichenmehltau dazu kommt, ist Photosynthese nur eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich. Geschwächte Eichen sterben dann ab, das haben wir schon erlebt, sagt Stefan Thierfelder vom Amt für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten in Schweinfurt.

Schwammspinner- Raupen sind nicht wählerisch und haben es nicht allein auf Eichen abgesehen. Jener Herr Stefan Thierfelder liefert in diesem Zitat (vermutlich ungewollt) gleich ein Argument, weshalb die geplante großflächige Bekämpfung mittels Pestiziden eine völlig falsche und überzogene Maßnahme darstellt.  Denn einen Kahlfraß überleben Bäume, so auch die Eiche, durchaus. Es müssen weitere Faktoren einwirken, damit Bäume sterben. Das Einbringen von chemischen Substanzen per Helikopter bewirkt unverhältnismäßige Kollateralschäden. So werden auch quasi alle anderen Insekten getötet oder zumindest massiv in Mitleidenschaft gezogen. In Zeiten, wo man angeblich etwas gegen das Insektensterben tun möchte, wirkt diese chemische Keule mindestens kontraproduktiv.

Immerhin gibt es vom Bayrischen Rundfunk auch einen Filmbeitrag, wo auch Leute (Dr. Ralf Straußberger, Bund Naturschutz) mit Gegenargumenten zu Wort kommen dürfen.

So ist es bezeichnend für die Diskussion um diese überflüssige Schwammspinner- Bekämpfung durch Insektizide, dass im Vergleich zu besprühten Waldflächen die nicht besprühten sich keineswegs in einem schlechteren Zustand befinden. Im Filmbeitrag lieferte diesmal Herr Thierfelder sogar einen entscheidenden Lösungsansatz. Die Monokultur von Eichenwäldern muss in einen Mischwald umgewandelt werden. Genau genommen ist gar nicht der Schwammspinner für das Dilemma verantwortlich, sondern die Menschen, die seit Jahrzehnten den Wald als reinen Wirtschaftsfaktor betrachtet und ein Ungleichgewicht durch einseitige Anpflanzungen erzeugt haben.

Besonders erschüttert bin ich allerdings über die behördlich motivierte Desinformationskampagne, wie sie vom Forstdirektor Hubert Türich im Landkreis Bad Kissingen verfolgt wird:

Entsprechend den Vorgaben des Naturschutzgesetzes wird es sich nicht um ein Kontaktgift handeln, versichert der Forstdirektor, sondern um ein „selektiv wirkendes Fraßgift“, das alle gesetzlichen Auflagen erfüllt und andere Insekten nicht mit abtötet.

Quelle: InFranken.de

Das ist eine absolute Falschaussage. Es gibt kein einziges „selektiv wirkendes Fraßgift“, welches ausschließlich die Raupen des Schwammspinners tötet. Es werden alle Raupen bzw. Larven getötet, die mit der Substanz bespritzte Blätter fressen. Somit werden auch viele andere, zum Teil auf der „Roten Liste“ befindliche Tiere dezimiert werden.

Ein weiteres Märchen wird auf den Seiten des LWF (Bayrisches Landesamt für Wald und Forstwirtschaft) erzählt:

Die Raupen sind im letzten Stadium bis zu 7,5 cm lang und beinahe fingerdick und können dementsprechend große Mengen an Laub verzehren.

Das ist falsch. Die Raupen des Schwammspinners werden eigentlich nie länger als 7cm, wobei männliche Raupen selten länger als 4cm werden. Bei der Fingerdicke muss wohl der kleine Finger oder ein Finger eines Grundschulkindes gemeint sein? Die Menge an Futter, die eine Raupe vertilgt, kann unterschiedlich sein. Dass jede Schwammspinner- Raupe einen Quadratmeter Blattwerk verspeisen würde, wie es auf Spiegel.de dargelegt wird,  ist ebenso abenteuerlich (Woher stammt diese Information eigentlich?). Etwa ein Dutzend durchschnittlich großer Eichenblätter trifft den Bedarf einer solchen Raupe für das gesamte Larvenstadium eher, was weit entfernt von einem Quadratmeter ist…

Ich würde es begrüßen, wenn die Diskussion nicht mit Übertreibungen und Falschaussagen zugunsten eines Pestizid- Einsatzes geführt würde und die Medien sich nicht einseitig dieser Lobby anschließen würden.

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